Corona: Die wirtschaftlichen Folgen der Krise
Albstadt/Sigmaringen. Die Coronakrise ist seit dem Zweiten Weltkrieg die wohl größte Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Sie übertrifft in ihren Auswirkungen bei Weitem die Finanzkrise von 2008, da nicht nur der Bankensektor betroffen ist, sondern alle Branchen gleichermaßen. Dr. Jonas Rossmanith, Steuerberater und Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, leitet gemeinsam mit Professor Funk das Kompetenzzentrum internationale Rechnungslegung und internationales Controlling und vertritt an der Hochschule inhaltlich die Fachgebiete Unternehmensbesteuerung und Rechnungslegung. Im Interview spricht er über die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.
Wie schätzen Sie aktuell die wirtschaftliche Situation ein?
In meinem ersten Beitrag zur wirtschaftlichen Situation habe ich bereits angedeutet, dass diese für viele Unternehmen nichts Gutes verheißt. Das ist leider eingetreten. Auch das Ifo-Institut und die Wirtschaftsweisen haben uns bereits im Februar auf einen wirtschaftlichen Abschwung hingewiesen. Die Folge wird eine Rezession sein. Beides hat sich leider zwischenzeitlich bestätigt. Deshalb war es absolut richtig, dass die Bundesregierung die Corona-Sofortprogramme aufgelegt hat.
Wie beurteilen Sie diese Programme?
Ziel war es, Liquiditätsengpässe der Unternehmen kurzfristig zu überbrücken – das ist gelungen. Allein in Baden-Württemberg wurden über die Landesbank ca. 1,58 Milliarden Euro an die betroffenen Unternehmen ausgezahlt. So ist es gelungen, mit einem Zuschuss von bis zu 30.000 Euro für Soloselbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern einen kurzfristigen Liquiditätsengpass abzufangen. Zwischenzeitlich hat sich aber gezeigt, dass es alleine mit diesem Zuschuss noch lange nicht getan ist.
Was muss weiter unternommen werden, um die Unternehmen zu unterstützen?
Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Corona-Pandemie verheerende wirtschaftliche Folgen haben wird. Deshalb ist es absolut wichtig, dass die Unternehmen mit zinsgünstigen Krediten, Tilgungszuschüssen, Bürgschaften und Beteiligungskapital rechnen können, um ihre aktuelle wirtschaftliche Situation zu stärken. Wenn man davon ausgeht, dass wir uns noch ein Jahr lang auf Einschränkungen einstellen müssen, dann sollten Unternehmen, die nicht öffnen dürfen, weiterhin staatliche Überbrückungshilfen bekommen.
Wie zeigen sich jetzt schon die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie?
Als die ersten wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzusehen waren, ging das Ifo-Institut wie die Bundesregierung von einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes für 2020 von ca. 4,2 bis 4,5 Prozent aus. Bei einer Erholung im Jahr 2021 von ca. 5,3 Prozent wären die Folgen sehr schnell kompensiert gewesen. Aktuell sprechen das Ifo-Institut und die Bundesregierung jedoch von der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Beide erwarten, dass die deutsche Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) in diesem Jahr um ca. 6,2 bis 6,3 Prozent sinken wird. Dies wäre ein stärkerer Wirtschaftseinbruch als während der Finanzkrise 2008. Bei der prognostizierten Erholung des Bruttoinlandsproduktes von 5,3 Prozent für 2021 würden somit die Folgen der Krise eben nicht vollständig kompensiert. Und schauen wir einmal ins Ausland: Italien wie Spanien rechnen mit einem Rückgang ihres Bruttoinlandsproduktes von über 10 Prozent! Italien hatte bis zum 4. Mai einen kompletten Shutdown. Über sieben Wochen lang wurde in keinem gewerblich geprägten Betrieb Italiens produziert. Deshalb gehe ich davon aus, auch aufgrund meiner Informationen aus Südtirol und der Lombardei, dass sich der Rückgang der italienischen Wirtschaftsleistung zwischen elf und zwölf Prozent bewegen wird. Und hierbei ist eine zweite Corona-Pandemie-Welle noch nicht einmal berücksichtigt.
Was bedeutet das für die Prognose der deutschen Wirtschaftsleistung für 2020?
Wenn ich die Situation in den angesprochenen Ländern speziell und sonst im Allgemeinen betrachte, und Deutschland ist eine Exportnation, dann gehe ich aktuell mindestens von dem prognostizierten Rückgang aus. Wenn aber eine zweite Corona-Pandemie-Welle auf uns zukommt, wovon bereits viele ausgehen, dann werden wir auf jeden Fall einen stärkeren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes haben. Ich rechne dann mit einem Rückgang von bis zu 7,5 Prozent.
Welche Spuren hinterlässt die Krise jetzt schon bei den Unternehmen?
Deutlich wird das jetzt schon in den Quartalsberichten der Unternehmen weltweit. Die weltgrößten Flugzeugbauer Airbus und Boeing machten bereits im ersten Quartal hohe Verluste. Bei Airbus fiel in den ersten drei Monaten bis Ende März 2020 ein Verlust in Höhe von 481 Millionen Euro an. Im Vorjahr hatte Airbus noch einen Gewinn von 40 Millionen Euro. Noch schlechter sieht es beim amerikanischen Konkurrenten Boeing aus. Dort betrug der Quartalsverlust laut Unternehmensangaben 641 Millionen Dollar. Im Vorjahr hatte Boeing noch 2,1 Milliarden Dollar verdient. Die Automobilindustrie erlebt ihren stärksten Rückgang seit der Wiedervereinigung 1990. Dem Ifo-Institut zufolge wird es die Automobilindustrie noch schlimmer treffen als nach der Finanzkrise 2008. Dieser Rückgang wird auch Spuren in den Quartalsberichten der Autobauer hinterlassen. Um dieses etwas abzufedern, hofft die heimische Automobilindustrie nun auf bekannte Hilfen.
Die Lufthansa wird ohne Staatshilfen nicht zu retten sein. Hier sind Staatshilfen von bis zu zehn Milliarden Euro im Gespräch. Beim baden-württembergischen Traditionskonzern Bosch stellt man sich auf eine tiefgreifende Rezession ein, und der Bosch-Chef selbst spricht von einem Ausnahmezustand, der wirtschaftliche Existenzen infrage stellt. Hier sind sicherlich auch die klein und mittelständisch geprägten Unternehmen gemeint. Da der überwiegende Teil der Unternehmen in Baden-Württemberg klein und mittelständisch geprägt ist, kann man sich leicht ausmalen, was diese Krise für unsere Unternehmen in Baden-Württemberg bedeutet.
Wie sieht Ihr aktuelles Fazit aus?
Es ist nicht leicht zu formulieren, aber wir werden leider Insolvenzen zu verzeichnen haben. Und daran werden auch die gewährten Corona-Sofortprogramme nichts ändern. Es wird keine leichte Zeit für alle, aber wir können nur hoffen, dass wir diese Corona-Krise gemeinsam meistern. Wir müssen alles dafür tun.