Forschungsprojekt: Hochschule hilft der Industrie beim Energiesparen
Albstadt/Sigmaringen. Der Energiebedarf von Industriebetrieben ist enorm. Doch enorm ist auch das Einsparpotential – ein Thema, das derzeit besonders aktuell ist. Je flexibler nämlich ein Unternehmen seinen Stromverbrauch den aktuellen Strompreisen anpasst, umso besser – für seine eigene Bilanz, aber auch für die Umwelt und sogar für die Netzstabilität insgesamt. Wie eine derartige Flexibilisierung der Produktion konkret aussehen kann, darum geht es in einem aktuellen Forschungsprojekt an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Fünf Professor:innen der Fakultäten Engineering in Albstadt und Business Science and Management in Sigmaringen haben sich zusammengetan und beschäftigen sich im Zuge des EU-Projekts „Flex4Fact“ dreieinhalb Jahre lang mit einem konkreten Unternehmen. Für diese Laufzeit stehen mehr als eine Million Euro zur Verfügung.
Im Mittelpunkt der Forschung steht das Ziel, dass ein energieintensiver Industriebetrieb den Großteil seines Strombedarfs genau dann deckt, wenn der Strom am Markt gerade billig ist. Umgekehrt fahren die Maschinen in Phasen hoher Strompreise ganz oder teilweise herunter. Hierzu liefert jeder Projektpartner aus dem internationalen Konsortium Beiträge; es besteht aus 23 europäischen Hochschulen, Partnerunternehmen und Forschungseinrichtungen.
Partnerunternehmen der Hochschule Albstadt-Sigmaringen ist die Theben AG, die weltweit zu den führenden Anbietern für Energieeffizienz und Gebäudeautomatisierung gehört. Es sollen Lösungsansätze gefunden werden, die einerseits den internen Energieverbrauch senken und andererseits die Potentiale der Energieerzeugung in Firmen besser ausschöpfen. „Damit leistet dieses Projekt sowohl einen ökologischen Beitrag im Sinne einer CO2-Reduktion als auch einen ökonomischen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von Gas und Öl“, sagt Prof. Dr. Lutz Sommer, Studiendekan Wirtschaftsingenieurwesen. „Wie relevant dieses Thema ist, zeigt sich ja gerade ganz aktuell.“ Unterstützt wird das Unternehmen dabei von den beiden Fakultäten, die selbst Bachelor- und Master-Studiengänge zu den Megathemen Nachhaltigkeit („Sustainable Engineering – Nachhaltige Produkte und Prozesse“ sowie „Wirtschaftsingenieurwesen - Green Energy & Mobility“) und Energiewende („Digital Energy & Business“ sowie „Energiewirtschaft und Management“) anbieten.
„Produktion und technische Prozesse nachhaltig zu gestalten, ist angesichts der Klimawende die große Herausforderung unserer Zeit“, sagt Prof. Dr. Hans-Joachim Illgner, Dekan der Fakultät Engineering. „Wir sind froh, dass wir unser Know-how an dieser Stelle einbringen und beweisen können, dass smarte technische Lösungen imstande sind, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten.“
Ganz konkret prüfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Unternehmen, wie viel Flexibilität überhaupt möglich ist, und erarbeiten Lösungsvorschläge. Zur Flexibilisierung könnten beispielsweise Schichtsysteme beitragen, aber auch variierende Auslastungen der Produktion oder die Anpassung der Geschwindigkeit, mit der eine Maschine läuft. Denn der Strompreis am deutschen Markt ändert sich alle 15 Minuten: Befindet sich etwa an einem sonnen- und windreichen Tag viel günstiger Strom aus erneuerbaren Energien im Netz, sieht das an einem windstillen Tag mit bewölktem Himmel völlig anders aus, erklärt Prof. Dr. Alexander Bade, Studiendekan der Studiengänge Energiewirtschaft und Management (EWM) und Digital Energy Business (DEB). „Die Produktion entsprechend anzupassen, kann deshalb für ein Unternehmen doppelt lukrativ sein.“ Es spare auf der einen Seite Stromkosten ein und könne dem Netzbetreiber auf der anderen Seite den nicht verbrauchten Strom anbieten und sich auf diese Weise eine Einnahmequelle erschließen.
„Grundsätzlich benötigen wir keinen gleichmäßigen Stromverbrauch“, sagt Prof. Dr. Jessica Rövekamp (Studiengänge EWM und DEB). „Was wir stattdessen brauchen, ist ein an die Erzeugung angepasster Verbrauch.“ Dies gelte letztlich auch für Privathaushalte: Zwar seien die Preisschwankungen hier wegen pauschaler Abschläge für die Kunden nicht so relevant. „Der Netzstabilität dient es aber, wenn man die Wasch- oder Spülmaschine an einem sonnigen Tag mittags laufen lässt und nicht erst am Abend, wenn die Sonne untergegangen ist.“