Junger Äthiopier promoviert bewusst in Albstadt
Albstadt/Sigmaringen. Seit Herbst 2017 promoviert Baye Berhanu aus Äthiopien in Kooperation mit dem Studiengang Material and Process Engineering auf dem Gebiet der Plasmatechnologie. An der Hochschule Albstadt-Sigmaringen betreut Prof. Dr. Jörn Lübben seine Arbeit als Zweitgutachter.
Baye Berhanus akademische Heimat ist die Dire Dawa University mit dem Institute of Technology, an dem er seinen Bachelorabschluss im Fach Textiltechnik erwarb. Er schloss einen Master in Textilchemie an der Bahir Dar University an und lehrt seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Für sein Promotionsvorhaben war die technische Ausstattung dort jedoch unzureichend – deshalb bewarb er sich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für ein Stipendium.
Mit seinem Promotionsprojekt konnte sich der ehrgeizige Textilingenieur einen von insgesamt drei Plätzen sichern, die an seiner Heimathochschule jährlich über das DAAD-Programm vergeben werden. Sein Forschungsvorhaben setzt Plasmatechnologie gezielt ein, um die Eigenschaften von Mischfasergewebe zu optimieren und dadurch den Tragekomfort zu verbessern.
Baye Berhanu ist sich bewusst, dass er in seiner Heimat Pionierarbeit auf dem Gebiet der Plasmatechnologie leistet. Er hat ein klares Ziel vor Augen: „Ich möchte die Möglichkeiten dieser Technologie in meinem Land bekannt machen“, sagt er. „Ich sehe hier enormes Potenzial für alle Bereiche, auch wenn meine Forschung derzeit das Leben in meiner Heimat noch nicht unmittelbar besser macht.“
Nachdem die Zusage vom DAAD vorlag, kontaktierte er verschiedene Hochschulen, die über Expertise und Ausstattung im Bereich Plasmatechnologie verfügen. Als die Anfrage Prof. Jörn Lübben erreichte, war er sofort von dem Projektvorhaben überzeugt und sagte zu. Seither verbringt Baye Berhanu im Wechsel ein halbes Jahr in Albstadt, um seine Experimente mithilfe der dortigen Plasmaanlage durchzuführen, und kehrt anschließend für sechs Monate in seine Heimatstadt zurück. Die Phasen ohne technische Ausstattung nutzt er zur Auswertung seiner Laborergebnisse und zur Vorbereitung der folgenden Experimente.
Jörn Lübben ist beeindruckt von der Zielstrebigkeit seines Doktoranden. Aus seiner Sicht ist die Betreuung des Projekts für alle Beteiligten eine „Win-win-Situation“. „Dass ausländische Nachwuchsforscher zu uns nach Albstadt kommen, unterstreicht, dass wir eine der ersten Adressen im Bereich technische Textilien und Plasmatechnologie sind“, sagt Jörn Lübben. Die teils unorthodoxe Herangehensweise Berhanus und die neuen Gerätschaften, die im Zuge der Promotion angeschafft wurden, setzten auch im Studiengang Material and Process Engineering wertvolle neue Impulse. „Für unsere Studierenden ist es motivierend zu sehen, dass Forschung nicht theoretisch und abgehoben sein muss, sondern sich unmittelbar mit konkreten Bedürfnissen befassen kann“, sagt Jörn Lübben.
Von den Möglichkeiten, die sich ihm in Albstadt bieten, ist Baye Berhanu begeistert: „Deutschland ist für mich das Land der innovativen Ideen.“ Die Arbeitshaltung der Deutschen habe ihn von Anfang an beeindruckt. Nur an die oft zurückhaltende Art, die sich von der lebhaften Kommunikation in seiner Heimat deutlich unterscheide, habe er sich anfangs gewöhnen müssen. Inzwischen sei die Kommunikation jedoch kein Problem mehr – auch dank des Deutschkurses, den er zweimal pro Woche besucht.
Ob er mit dem Doktortitel in der Tasche tatsächlich an sein altes Institut zurückkehrt oder eine Karriere im Ausland anstrebt, hat er noch nicht entschieden. Derzeit plant er, sich für ein Postdoc-Stipendium bei der Humboldt-Stiftung zu bewerben.
Weiterführende Informationen: Der DAAD fördert im „Engineering Education Capacity Building Program“ (EECBP) die Mobilität von Nachwuchsingenieuren aus Äthiopien, um ihnen Zugang zu hochwertigem Laborgerät zu ermöglichen und die Vernetzung mit internationalen Wissenschaftsstandorten zu unterstützen. Die Hoffnung ist, dass die exzellent qualifizierten Jungwissenschaftler nach Abschluss der Promotion in ihre Heimatländer zurückkehren und dort mit ihrem erworbenen Know-how neue technologische Impulse setzen.