Lebensmittel, Ernährung, Hygiene Facility and Process Design Life Sciences

Nachhaltigkeit: Verbraucher-Einschätzung entspricht oft nicht der Realität

Wie einig sind sich Wissenschaftler und Verbraucher, wenn es um die Nachhaltigkeit von Verpackungen geht? Mit dieser spannenden Frage beschäftigt sich ein kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Cleaner Productionveröffentlichter Übersichtsartikel einer Absolventin der Fakultät Life Sciences.

Sarah Otto hat in Sigmaringen Lebensmittel, Ernährung, Hygiene (LEH) mit der Wahlrichtung „Lebensmittel und Ernährung“ studiert. In ihrer Bachelorarbeit versuchte sie herauszufinden, ob es bei der Umweltverträglichkeit von Lebensmittelverpackungen einen Unterschied gibt zwischen der objektiven wissenschaftlichen Bewertung und der subjektiven Wahrnehmung der Verbraucher. Unterstützt wurde sie dabei von Mara Strenger, ebenfalls ehemalige LEH-Studentin sowie Absolventin des Masterstudiengangs Facility and Process Design. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Markus Schmid, Leiter des Sustainable Packaging Institutes (SPI) sowie Prof. Dr. Andrea Maier-Nöth, Professorin für Sensorik- und Konsumentenforschung.

Unter die Lupe genommen wurden dabei Kunststoff, Glas, Metall und Papier bzw. Karton. Diese wurden zunächst anhand ausgewählter ökologischer Nachhaltigkeitskriterien analysiert, wobei der CO2-Fußabdruck, die Recyclingrate, die Wiederverwendungsrate sowie die biologische Abbaubarkeit berücksichtigt wurden. Anschließend untersuchten die Forscher, wie Verbraucher die verschiedenen Verpackungsstoffe subjektiv bewerten und verglichen die Ergebnisse. Das Resultat ist äußerst interessant, zeigt es doch, dass die Einschätzungen von Konsumenten und Wissenschaft nicht zwangsläufig übereinstimmen.

Diskrepanz zwischen Verbraucherwahrnehmung und tatsächlicher ökologischer Nachhaltigkeit

Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff haben beispielsweise ein äußerst schlechtes Image bei den Verbrauchern und gelten als wenig nachhaltig. Ihr negativer Einfluss auf die Umwelt wird laut Wissenschaftlern jedoch generell überschätzt. Ganz anders ist es dagegen bei Glas und biologisch abbaubaren Kunststoffen – diese werden in der Regel viel positiver gesehen als es tatsächlich der Fall ist. Bei Biokunststoffen wird zum Beispiel oft die Möglichkeit des Kompostierens überschätzt, ist diese doch in der Regel nur im industriellen Rahmen gegeben. Dem Material Glas eilt der gute Ruf der Wiederverwertbarkeit voraus. Es schneidet jedoch in anderen Nachhaltigkeitskategorien schlechter ab, da es beispielsweise durch sein hohes Gewicht beim Transport höhere Emissionen verursacht als andere Packmittel. Solche Unterschiede in der Wahrnehmung gibt es interessanterweise aber nicht bei allen Materialien. Bei ihrer Einschätzung von Metall sowie Papier und Karton sind sich Forscher und Verbraucher größtenteils einig.

Unverpackt ist nicht immer eine Lösung

Aus Verbraucherperspektive ist das Weglassen der Verpackung oft die nachhaltigste Option – laut Wissenschaftlern kann jedoch auch das ein Trugschluss sein: „Unverpackt angebotene Lebensmittel können aufgrund fehlender Schutzfunktion durch die Verpackung zu mehr Lebensmittelabfällen führen,“ so Markus Schmid. Eine fehlende Verpackung kann also im schlimmsten Fall zu Lebensmittelverschwendung führen – und das ist aus ökologischer Sicht fatal, denn in den Lebensmitteln selbst sind in der Regel viel mehr Ressourcen gebunden als in der Verpackung. „Die indirekten Umweltauswirkungen durch verpackungsbedingte Lebensmittelabfälle sollten daher bei einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung unbedingt berücksichtigt werden,“ sagt Mara Strenger.

Was tun gegen die Fehleinschätzung?

Diese unterschiedlichen Nachhaltigkeitsbewertungen, so zeigen Untersuchungen, seien nicht auf ein fehlendes Umweltbewusstsein der Verbraucher zurückzuführen, sondern in der Regel auf mangelndes Wissen. Als mögliche Lösungen schlagen die Forscher deshalb Bewusstseins-Schulungen vor, die die wissenschaftlichen Fakten vermitteln. Auch die klare Kommunikation von Produkt- und Verpackungsinformationen, z.B. mithilfe von Kennzeichnungs-Systemen, könnte hilfreich sein, um Konsumenten dabei zu unterstützen, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Dafür sei jedoch noch weitere Forschung nötig: „An die im Artikel identifizierten Forschungslücken möchten wir mit weiteren Arbeiten und Projekten an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen gezielt anknüpfen,“ so Andrea Maier-Nöth.