Kooperation: Studierende aus Sigmaringen entwickeln Lösungen für Daimler-Werk in Ungarn
Albstadt/Sigmaringen. Im Januar hat in der Mercedes-Benz-Academy Kecskemét in Ungarn zum ersten Mal die Veranstaltung Global Innovation Camp 2020 stattgefunden. Insgesamt nahmen daran 36 Studierende der Neumann János Universität Kecskemét und der Hochschule Albstadt-Sigmaringen teil.
Studierende aus Südkorea, Taiwan, Ungarn und Deutschland arbeiteten an diesem Workshop in Viererteams und befassten sich damit, wie der Transformationsprozess in der Automobilindustrie, die zukünftigen Herausforderungen der Aus- und Weiterbildung sowie Innovationsmanagement miteinander verknüpft werden können. Dabei ging es auch darum, wie die vorhandene Mercedes-Benz-Akademie kommerziell für externe Anbieter geöffnet werden kann.
Die Studierenden aus Sigmaringen wurden im Zuge ihrer Vertiefungsrichtung International Business von Prof. Dr. Uwe Sachse begleitet. Außerdem unterstützte der Innovations- und Transfermanager Andreas ter Woort die Exkursion als Repräsentant der Hochschule. Im Interview spricht Uwe Sachse über die Herausforderungen und Erkenntnisse des Projekts und darüber, wie es hinsichtlich der aktuellen Corona-Entwicklung mit dem Projekt weitergehen kann.
Welchen Stellenwert nimmt diese Exkursion im Vergleich zu anderen ein?
Das war eine super Exkursion mit Studierenden. Spitzentechnologie, ein Besuch bei einem Marktführer im Wandel, massive interkulturelle Herausforderungen und spannende Gespräche mit dem Top-Management: Mehr geht nicht. Die Zusammenarbeit mit einem der innovativsten Unternehmen an ganz konkreten Fragestellungen war insbesondere auch für die Studierenden eine ganz besondere Erfahrung und Herausforderung. Die Problemsituation, der sich Daimler gegenüber sieht, war spürbar: autonomes Fahren, elektrische Antriebe, rückgängige Umsätze, da war die Corona-Pandemie noch gar kein Thema.
Wie haben die Teams funktioniert?
Wir haben die Studierenden nach dem sogenannten Vier-Farben-Konzept des HBDI-Modells (Herrmann Brain Dominance Instrument) zusammengestellt. Jeder Teilnehmer musste sich einer Farbe zuordnen, die für eine bestimmte Denkpräferenz steht: Rationales Ich, Organisatorisches Ich, Experimentelles Ich und Fühlendes Ich. Selbstbild und Fremdbild liefen dabei oft auseinander. Zudem wurde die Zusammenarbeit in den Teams durch die unterschiedlichen Levels an Sprachkompetenz erschwert. Teilweise mussten die Inhalte vom Englischen ins Ungarische übersetzt werden – wie im richtigen Leben. Dennoch entwickelten die Studierenden innovative Lösungskonzepte für die Problemstellung, auch weil die Studierenden auf erlernte Instrumente aus dem Studium zurückgreifen konnten. Wie gut und nahe an der Praxis unsere Ausbildung ist, schlug sich in den Resultaten der viertägigen Projektarbeit nieder. Das zeigt auch das Fazit des Konzerns. Die Geschäftsführung des Daimler-Werks Kecskemét bezeichnete den Workshop als „exemplarisch für eine Zusammenarbeit von Daimler mit Universitäten“.
Was haben die Studierenden von ihrem Besuch in Ungarn sonst mitgenommen?
Neben der internationalen Projektarbeit hatten die Studierenden auch Gelegenheit, an einem hochinteressanten interkulturellen Austausch am letzten Exkursionstag teilzunehmen. Als Gäste bei der deutsch-ungarischen Außenhandelskammer in Budapest wurden wir vom Geschäftsführenden Vorstand Gabriel Brennauer und von Zsuzsanna Sipka empfangen. Wir konnten seine Sicht auf die deutsch-ungarischen Wirtschaftsverhältnisse in Zeiten eines wahrnehmbaren Rechtsrucks in Ungarn (Fidesz-Partei) erfahren. Zudem erläuterte ein Repräsentant der Fidesz-Partei auf Deutsch, warum das Konzept seiner Partei das richtige sei. Im Anschluss entwickelte sich eine intensive Diskussion unter allen Teilnehmern. Selbstverständlich ist das alles höchst bedenklich, aber allein die Möglichkeit, in diesen interkulturellen Dialog zu treten und die politischen Strömungen innerhalb Europas zu erleben und die Bedeutungen und Auswirkungen, die das auf das internationale Geschäft haben kann, war extrem spannend und lehrreich. Beim abschließenden Besuch des Goethe-Instituts schilderte dessen Leiterin ihre Sicht der Dinge auf die politischen Verhältnisse. Sie erklärte außerdem, welche Möglichkeiten das Goethe-Institut im interkulturellen Austausch hat, die Auswirkungen des Rechtsrucks abzumildern. Das waren drei wichtige Vorträge zusätzlich, die den Studierenden tiefergehende Einblicke aus erster Hand in Politik und Kultur Ungarns erlaubt haben.
Welche Rückmeldungen haben Sie seitens der Studierenden bekommen?
Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Die Tatsache, dass die Studierenden die Exkursion zu weiten Teilen selbst und eigenverantwortlich organisiert haben und die einmaligen Erfahrungen, die sie sammeln konnten, waren die wesentlichen Gründe für das gute Feedback. Hinzu kam, dass die Exkursion durch das Erasmus Plus Programm und seitens der Fakultät umfangreich finanziell unterstützt wurde. Alle Teilnehmer haben zudem ein Certificate of Appreciation, unterschrieben von Mercedes-Benz, der Neumann Universität Kecskemét und unserer Hochschule, erhalten.
Wie geht es mit dem Innovationcamp auch hinsichtlich der Corona-Lage, weiter?
Die Fortsetzung des Innovationcamps war ursprünglich für das Wintersemester 2020/2021 geplant. Zudem haben wir mit der Neumann János Universität Kecskemét einen spannenden Partner für künftige länderübergreifende Zusammenarbeit gewonnen. Inwieweit wir die Zusammenarbeit noch in diesem Jahr vor Ort fortsetzen können, müssen wir auch von der Entwicklung der Corona-Situation abhängig machen. Aktuell denken wir, auch durch die sehr guten Erfahrungen mit 100 Prozent digitaler Lehre, über ein digitales Innovationsformat nach. Der Wunsch nach einem weiteren Workshop ist jedenfalls seitens Mercedes sehr groß.